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  • Autorenbildkollektiv vier

Ein Webstuhl am Waldrand

Eine persönliche Reise über das Entwerfen am Handwebstuhl



«Eines Tages wird mein Webstuhl in meinem lichtdurchfluteten Atelier mit Blick auf den Wald stehen. Jeden Morgen nehme ich mir Zeit für einen Spaziergang dem kleinen Bächlein entlang, das mich über die Wiese in den Wald bis zur Lichtung führt. Wieder zuhause angekommen mahle ich Kaffeebohnen für meinen Cappuccino und frühstücke im Garten. Manchmal lese ich die Zeitung auf dem iPad, manchmal gehe ich direkt in mein Atelier und beginne zu Weben.»


Diese Vision begleitet mich seit der Abschlussarbeit meines Textildesignstudiums. Letztes Jahr habe ich mir Zeit genommen, diesem Traum nachzugehen. Der Webstuhl steht zwar noch im Treppenhaus meiner Altstadtwohnung und der morgendliche Spaziergang führte mich meistens an den Bieler See. Doch im Folgenden soll es nicht um solche Details gehen. Ich möchte euch vielmehr erzählen, wie es sich anfühlte.




Beim Weben werden zwei Fadensysteme – die Kette (1) und der Schuss (2) – rechtwinklig miteinander verkreuzt. Die Kettfäden bilden den Träger. Man zieht sie auf eine Kettwalze (3) auf, führt sie durch die Litzen (4) der Schäfte (5) und das Webblatt (6) und bindet sie schliesslich vorne am Warenbaum (7) an. Beim Weben wird ein Teil der Kettfäden angehoben und man erhält ein Fach, durch das ein Schussfaden von der einen Webkante zur anderen eingelegt wird. Dabei entsteht ein Gewebe.




Ich entwerfe gerne intuitiv und im Moment. Der langsame Prozess des Webens erlaubt es mir, während meines Arbeitsprozesses auf das Entstandene zu reagieren. Ich bin eine Macherin und setze meine Ideen gerne direkt am Webstuhl um. Wenn etwas nicht funktioniert, sehe ich unmittelbar, was ich verbessern kann oder noch ausprobieren möchte. Falls ein Fehler entsteht, kann ich auf kreative und spontane Weise darauf reagieren. Meiner Meinung nach ist es spannend das Muster auch mal zu durchbrechen. Ist ein Muster zu harmonisch, kann es schnell langweilig wirken. Während des Webens kommen mir viele Ideen, was ich als Nächstes machen könnte.



Ich glaube die Langsamkeit des Webens passt zu meiner Persönlichkeit. Ich bin in gewissen Dingen eine langsame Person und brauche das Alleinsein. Das Weben beruhigt und entspannt mich. Ich versuche meine Gedanken auf die repetitive Arbeit am Webstuhl zu reduzieren, was mich in einen meditativen Zustand bringen kann. Da ich gerne aus dem Bauch heraus entscheide, kommt mir das Weben entgegen. Ich kann aus der Technik und intuitiv aus dem Moment Entscheidungen treffen. In diesem Sinne halte ich an meiner romantischen Vision vom Webstuhl am Waldrand fest. Doch jetzt, wo ich sie eine Zeit lang erfahren konnte, schicke ich diesen Traum mit einem guten Gefühl wieder in die Ferne.


Wieder zurück im Kollektiv, weiss ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Nebst dem Alleinsein brauche ich den Austausch im Team und schätze die Überraschungen und Herausforderungen, die es durch das kollektive Schaffen gibt. Ich bin stolz Teil von kollektiv vier zu sein, wo wir gelernt haben uns Freiräume zu schaffen, um unseren Sehnsüchten nachzugehen.



Mimi für kollektiv vier

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